tiergestützte Interventionen


allgemeine Informationen

Was sind tiergestützte Interventionen?

Was ist ein Therapiehund (Therapiebegleithund)?
Was sind Aufgaben eines Therapiehundes (Therapiebegleithundes)?
Was ist der Unterschied zwischen tiergestützter Therapie und tiergestützten Aktivitäten?

Created with Sketch.

Seit 1. 1. 2015 sind Assistenz- und Therapiehunde, sowie ihre Anforderungen und Grundvoraussetzungen zur Anerkennung als solche, im Bundesbehindertengesetz (BBG § 39a) geregelt. Sie erfüllen bestimmte Aufgaben, die sich aus dem Rahmen ihres Berufsfeldes ergeben. Demnach ist ein Assistenzhund ein eigens zur Unterstützung seiner Halterin bzw. seines Halters speziell ausgebildeter Hund, der mit seinen Aufgaben zur Autonomie und Partizipation beitragen soll. Zu den Assistenzhunden zählen etwa Blindenführhunde, Servicehunde und Signalhunde.
Ein Therapiehund (Therapiebegleithund) ist ein gemeinsam mit dem Menschen (zumeist HalterIn des Hundes) ausgebildeter und geprüfter Hund, der als Teil eines therapeutischen Konzepts positive Auswirkungen auf Erleben und Verhalten von Personen erzielen soll (Rechtsinformationssystem des Bundes, 2024).
Daraus ergibt sich die naheliegende Definition tiergestützter Therapie:
"Tiergestützte Therapie umfasst unter Beziehung der entsprechenden Fachleute geplante pädagogische, psychologische und sozialintegrative Angebote mit Tieren für Personen aller Altersgruppen mit kognitiven, sozial-emotionalen und motorischen Einschränkungen, Verhaltensstörungen und Förderschwerpunkten. Sie beinhaltet auch gesundheitsfördernde, präventive und rehabilitative Maßnahmen" (Sozialministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2015).

Die IAHAIO (International Association of Human-Animal Interaction Organizations) hat 2014 eine global gültige Terminologie tiergestützter Arbeit herausgegeben. Diese bezeichnet tiergestützte Interventionen (TGI) als Oberbegriff zielgerichteter, strukturierter Interventionen durch den bewussten Einbezug von Tieren in die Gesundheitsfürsorge, Pädagogik und Sozialarbeit, wobei tiergestützte Therapie (TGT)  im Feld der beruflichen Grundprofession (Fachkompetenz) und tiergestützte Aktivitäten (TGA) von Berufsfremden durchgeführt werden.
Kriterien tiergestützter Therapie können aber auch von AnwenderInnen tiergestützter Aktivitäten in Zusammenarbeit mit entsprechender Fachperson erfüllt werden. Aus den unterschiedlichen beruflichen Grundprofessionen heraus leiten sich weitere Fachgebiete wie etwa die tiergestützte Pädagogik (TGP) ab (IAHAIO, 2014).

Ziele und Wirkungen tiergestützter Interventionen

Created with Sketch.

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) beschreibt den Begriff "Gesundheit" als einen Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Tiergestützte Interventionen orientieren sich an diesen Genesungs- und Gesunderhaltungsprozessen und berücksichtigen Einschränkungen, Beeinträchtigungen und Ressourcen der Betroffenen, um erwünschte Wirkungen zu erreichen und unerwünschte zu vermeiden (Effektivität tiergestützter Interventionen). Dies setzt die Erfassung eines Förderbedarfs als Indikation tiergestützter Interventionen voraus, welche mit einer Zielsetzung (Förderziel) und entsprechender Maßnahmenplanung - den tiergestützten Interventionen - einhergeht (Wohlfarth & Olbrich, 2014 - ESAAT, ISAAT). Allgemeine Ziele stellen laut der global führenden Organisationen und Arbeitsfachgruppen ESAAT (European Society for Animal Assisted Therapy) und ISAAT (International Society for Animal Assisted Therapy) demnach eine Wiederherstellung und die Erhaltung von körperlichen, kognitiven und emotionalen Funktionen, die Förderung alltäglicher Fähigkeiten, Fertigkeiten und Integration, sowie die Verbesserung subjektiven Wohlbefindens dar (2018).

Mittlerweile belegen zahlreiche Studienergebnisse positive Effekte tiergestützter Interventionen auf körperlicher, psychischer, emotionaler, sozialer, sowie kognitiver Ebene, woraus Förderziele abgeleitet werden können. Die Auswirkungen können mitunter auf die angeborene, natürliche Neigung eines Menschen zur Natur und anderen Lebewesen (Biophilie) mit ähnlichen Gefühlsregungen und Verhaltensweisen (Du-Evidenz), neurobiologische Effekte (besonders die Ausschüttung von Oxytocin und Serotonin sowie wechselseitige Modulation von Stimmung und Verhalten durch Spiegelneurone) und Lernerfahrungen (Lerntheorien) zurückgeführt werden (Beetz, et al., 2021). Zu den Auswirkungen zählen etwa:


körperliche Auswirkungen:

  • Mobilität, Motorik (Grobmotorik, Feinmotorik) und Koordination
  • Wahrnehmung (vor allem optisch, akustisch und sensorisch)
  • sprachliche Fähigkeiten (Sprechmotorik, Sprachverständnis)
  • körperliches Wohlbefinden (Reduktion von Stresssymptomen, körperliche Entspannung, Stabilisierung von Herz-Kreislaufsystem wie Atmung, Blutdruck und Puls, Schmerzempfindung)


psychische und emotionale Auswirkungen:

  • Offenheit, Ansprechbarkeit und Realitätsorientierung, Vertrauen
  • Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein (Selbstwirksamkeit, Selbstsicherheit)
  • Verantwortungsbewusstsein
  • seelisches Wohlbefinden (Stimmungslage, Affizierbarkeit, Antrieb, Motivation)


soziale Auswirkungen:

  • Kontaktaufnahme und Beziehungsaufbau
  • Sozialkontakte, soziale Umgangsformen und Interaktionen
  • verbale und nonverbale Kommunikation
  • Erlernen sozialer Regeln


kognitive Auswirkungen:

  • Aufmerksamkeit und Konzentration
  • Denk- und Handlungsprozesse
  • Gedächtnis (Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis)
  • Impuls- und Emotionskontrolle (Verhaltenshemmung)
  • mentale Flexibilität

Das Setting mit einem Therapiehund (Therapiebegleithund)

Möglichkeiten und Überlegungen für das tiergestützte Setting

Created with Sketch.

Der Hund zählt zu der am häufigsten eingesetzten Tierart tiergestützter Settings. Seine besondere Eignung scheint sich aus mehreren Gründen des Domestikationsprozesses und einer langen gemeinsamen Evolutionsgeschichte zu ergeben. Aufgrund von Unterschieden in den Rasse-Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmalen müssen diese in der Auswahl für tiergestützte Interventionen berücksichtigt werden (Wohlfarth & Mutschler, 2021). Nicht jeder Hund ist gleichermaßen für jede Klientenzielgruppe und dessen Anforderungen geeignet. Wesen und Persönlichkeit können nach den fünf Persönlichkeitsdimensionen (BIG FIVE) beurteilt werden und nehmen Einfluss auf die Art und Weise wie Hunde mit ihrer Umwelt interagieren. So kann auch eine beruhigende, entspannende oder motivierende, anregende Wirkung im tiergestützten Setting erklärt werden.

Um tiergestützte Interventionen erfolgreich umsetzen zu können, müssen grundlegende Bedingungen und Prinzipien (Rahmenbedingungen) beachtet werden, die die Gesundheit, Sicherheit und das Wohlergehen aller Beteiligten eines tiergestützten Settings schützen (Koukourikos, et al., 2019). Hierbei zeugen hygienische, ethische, tierethische und tierschutzrelevante Aspekte von großer Relevanz. Einflussnehmende Faktoren, Risikofaktoren, Kontraindikationen sowie Möglichkeiten und Maßnahmen zur Risikominimierung und Bewältigung, als auch Grenzen, sollten daher allen AnwenderInnen tiergestützter Interventionen bekannt sein und diese zwingend beachtet werden (Wohlfarth & Olbrich, 2014 - ESAAT, ISAAT).

In der Praxis wird auf unterschiedliche methodische Ansätze zurückgegriffen, die in Einzel- oder Gruppensettings unter gezielten Überlegungen mittels kreativen Umsetzungsmöglichkeiten Anwendung finden können. Während im Einzelsetting höchst individuell auf Anforderungen, Ressourcen und Einschränkungen der KlientInnen eingegangen werden kann, verschiebt sich der Fokus tiergestützter Interventionen im Gruppensetting eher auf soziale und psychosoziale Ebene der TeilnehmerInnen. Für qualitative und effiziente tiergestützte Interventionen empfiehlt es sich die Teilnehmerzahl in Gruppensettings zu begrenzen. Alternative Betreuungsmöglichkeiten anderer Personen einer Gruppe während des Settings und die Auswahl passender TeilnehmerInnen sorgen hierbei für einen störungsfreien Ablauf und erfolgversprechende Interaktionsprozesse. 

Geschichte tiergestützter Arbeit

geschichtliche Entwicklung tiergestützter Interventionen

Created with Sketch.

Laut Forschungsberichten zählen 2011 tiergestützte Interventionen zu den am häufigsten angewandten Methoden in der Komplementärmedizin (Hammond & Vandenberg, 2011, USA), Angebote lägen in dem Bereich bei knapp 60% (Bercovitz, et al., 2011, USA). Anfang Jänner 2025 sind mittlerweile insgesamt 1449 berechtigte, aktive Therapiehunde-Teams auf der Homepage des Messerli-Instituts gelistet. Doch wie kam es soweit?

Der ursprüngliche Einsatz von Tieren in der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Menschen unterschiedlicher Altersklassen beruht auf unterschiedlichen Hintergrundgeschichten und lässt sich bis ins Jahr 1792 zurückverfolgen. Die damals neue Philosophie in der Behandlung psychisch Erkrankter basierte auf einen ganzheitlichen Aspekt und würdevollen Umgang, bei dem Tiere eher zufällig in Beschäftigungsprogramme integriert wurden (Quaker York Retreat - William Tuke). Dies prägte die ersten Ansätze therapeutischer Wirkung von Tieren.
Die britische Krankenschwester, Sozialreformerin und Begründerin der modernen Krankenpflege Florence Nightingale (1820-1910) berücksichtigte emotionale und psychische Bedürfnisse des Menschen in ihrem ganzheitlichen Genesungsaspekt. In diesem Zusammenhang beobachtete sie während des Pflegeprozesses verwundeter Soldaten positive Auswirkungen von Tieren und lieferte einen theoretischen Ansatz für tiergestützte Interventionen.
Anhand seiner Beobachtungen schuf der österreichische Neurologe und Psychoanalytiker Dr. Sigmund Freud (1856-1939) durch sein praktisches Verständnis der Mensch-Tier-Beziehung eine inspirierende Grundlage für die tiergestützte Arbeit. Seine Theorien beeinflussen den Einbezug von Tieren in der Therapie.
Der amerikanische Kinderpsychologe, Psychoanalytiker und Begründer tiergestützter Therapie Boris M. Levinson (1907-1984) setzte Tiere erstmals systematisch in seine Arbeit ein und beschrieb 1969 dessen Grundlagen in seinem Buch "Pet-Oriented Psychotherapy". Dies sorgte für die Revolution tiergestützter Interventionen und bot weitere Anregungen gezielter tiergestützter Programme in den Bereichen Pädiatrie, Altenpflege, Rehabilitation und Psychiatrie. Weitere wissenschaftliche Pionierarbeit leistete das amerikanische Ehepaar Elizabeth und Samuel Corson (Psychiater und Neurophysiologe, 1909-1998). Sie dokumentierten und veröffentlichten ihre Ergebnisse bewusster Einsätze von Hunden. Dies trug zur Anerkennung tiergestützter Interventionen als ernstzunehmende Ergänzung klassischer therapeutischer Ansätze bei und förderte die Etablierung des Konzepts tiergestützter Arbeit (Fine, et al., 2019).
Die Natur- und Tierwissenschafterin Temple Grandin (geb. 1947, selbst Autistin) entwickelte tiergestützte Programme für Menschen mit Autismusspektrum-Störung, wodurch tiergestützte Interventionen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen große Bedeutung erhielten (O Nieforth, et al., 2023). Forschungserkenntnisse von Dr. Michael J. und Dr. William McCulloch lieferten fundierte Theorien über die Mensch-Tier-Beziehung und trugen zur Popularisierung und Förderung tiergestützter Interventionen bei (Petpartners, ehemalige Delta Society, 2022)

Mit zunehmender Verbreitung wächst auch die Notwendigkeit der Qualitätssicherung und Forschung, um klientenorientierten tiergestützten Interventionen gerecht zu werden. Sie unterliegen kontinuierlichen Entwicklungen. 

Ehrenamt, gemeinnützige Arbeit und (Frei-)Beruf mit dem Therapiehund

Honorierung und Kostenübernahme tiergestützter Interventionen

Created with Sketch.

Wer schon einmal tiergestützte Interventionen hautnah miterlebt hat, wird schnell merken, welche zahlreichen positiven Beiträge diese zum körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefinden eines Menschen beisteuern können. Die Mensch-Hund-Teams leisten wertvolle Arbeit. Sie arbeiten aus persönlichen Gründen, persönlicher Motivation und vor allem aus Überzeugung auf sozialer Ebene. 

Folgende Gründe stellen bedeutsame Argumente für entsprechende Honorierung tiergestützter Interventionen dar:

  • die Ausbildung zum Therapiehunde-Team kostet (oft nicht wenig) Geld  (Voraussetzung zur Berechtigung, rechtliche Deckung, Qualitätssicherung)
  • regelmäßige Fort- und Weiterbildungen im Mindestausmaß sind für aktive Therapiehunde-Teams verpflichtend und kosten Geld (allgemeine Anforderungen zur Qualitätssicherung und Aufrechterhaltung der Berechtigung)
  • Beachtung hygienischer Vorschriften, die mit Ausgaben verbunden sind - kostenpflichtige Entwurmungskuren, parasitologische Kotprobenuntersuchungen, Prophylaxe und ggf. Behandlung gegen Ekto- oder Endoparasiten, regelmäßige tierärztliche Kontrollen und Untersuchungen, ggf. Behandlungen (allgemeine Anforderungen und Voraussetzungen zur Anwendung, Berechtigung, Qualitätssicherung)
  • sowohl die staatlich anerkennende Prüfung durch das Messerli-Institut, als auch die verpflichtenden jährlichen Überprüfungen zur Aufrechterhaltung der Berechtigung (Nachkontrollen) kosten Geld (allgemeine Anforderungen, Voraussetzungen, Qualitätssicherung)
  • Kosten für Arbeitsmaterialien, welche bei tiergestützten Interventionen eingesetzt werden
  • Kosten für Futterbelohnungen für den Hund
  • Anfahrtskosten, Anfahrtswege und Anfahrtszeit (sofern nicht im Berufskontext integriert)
  • Zeitinvestment für das tiergestützte Setting (sofern nicht im Berufskontext integriert)
  • das fortlaufende Training des Therapiehundes ist mit Zeitaufwand und Kosten verbunden
  • leider scheinen manche Menschen die Einstellung zu haben "Was nichts kostet, ist auch nichts wert" 


Kosten für tiergestützte Therapie können in Österreich von den gesetzlichen (Krankenkassen) und freiwilligen Versicherungsanstalten (Zusatzversicherungen) nur geltend gemacht werden, wenn diese im Rahmen des Berufkontexts (beispielsweise im Rahmen der Psychotherapie oder Physiotherapie, etc.) durchgeführt wird oder diese als komplementärmedizinische Behandlungsmethode durch den Versicherungsträger gedeckt ist. Diesbezüglich lohnt es sich, Erkundigungen bei Ihrer Versicherungsanstalt einzuholen (www.gesundheit.gv.at)

Letzte Aktualisierung: 02/2025